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Montag, 20. November 2023

992

Das negative Surrogat der Freiheit ist die Zucht.
Das negative Surrogat des Messianismus ist der Materialismus.
Erst jenseits der Zucht wartet die Freiheit.
Erst jenseits des Materialismus wartet das Messianische.
Das negative Surrogat des Evangeliums ist das Gesetz.

Samstag, 18. November 2023

991

Kants transzendentale Freiheit setzt, wenn sie als Selbstbestimmtheit jenseits purer Kausalität wirklich, also praktisch werden soll, rechtlich bestimmte äußere Freiheit als Bedingung der Möglichkeit praktischer Freiheit voraus. Anders die messianische Freiheit. Sie wird gerade auch unter Bedingungen äußerer Unfreiheit wirklich. Weil sie unabhängig macht nicht nur von jeder Kausalität, sondern auch von jeder Selbstbestimmtheit, von jeder auch moralischen Selbstgesetzgebung, von allen fiktiven Bemühungen, sich selbst durch Gründe aus dem Wirklichkeitssumpf der Kausalitäten herauszuziehen.

990

Wer glaubt, wer Einzelner ist, der kann nicht solidarisch sein.

Sonntag, 5. November 2023

989

Hamas. Israel. Gaza. Ich zögere, mich an dieser Stelle zu diesem Gültigkeitsstreit zu äußern, weil nahezu alles, was dazu gesagt werden könnte, nicht hierher gehört. Vielleicht nur zwei Andeutungen.

988

Warum ich kein guter Therapeut bin: Die Hilfe, die ich anzubieten hätte, liegt jenseits der Verzweiflung. Üblicherweise wird von Therapeuten jedoch erwartet, eine Hilfe anzubieten, die nicht verzweifeln lässt.

987

Descartes: Ich denke, also bin ich. Man könnte auch sagen: Ich bin mir meines Bewusstseins bewusst, mein Bewusstseins ist sich seiner selbst als solches bewusst, also kann ich mich darauf verlassen, dass ich existiere, dass ich wirklich bin. Mein Bewusstsein meines Bewusstseins, das Selbstbewusstsein meines Bewusstseins beweist mich mir selbst als existierend, als wirklich.
Letztlich nimmt hier der zweifelnde Descartes, um nicht verzweifeln zu müssen, Zuflucht zu zwei dogmatischen Setzungen: zur Wirklichkeitssetzung des Bewusstseins und zur Wirklichkeitssetzung des Ich. Diese beiden Setzungen werden dann in unzulässiger Weise logisch miteinander verknüpft.
Descartes Setzungen und Descartes Logik sind nur allzu verständlich. Sie haben sich aber vor allem auch als gefährlich erwiesen. Gerade auch ihnen verdanken wir den Hochmut und die Ignoranz des modernen Menschen. Descartes hätte sich und uns einen Gefallen getan, wenn er so mutig gewesen wäre, seine erkenntnistheoretische Formel als eine aus der Not geborene Fiktion zu formulieren. Das hätte die moderne Selbstbehauptung zumindest deutlich gedämpft.

Samstag, 4. November 2023

986

Derridas différance ist für mich nicht bloß ein sprachphilosophisch erhellendes Symbol, sondern auch Zeichen einer unausgesetzten existenziellen Wahrnehmung – dies vor allem im Raum des unmittelbar Zwischenmenschlichen. Immer und überall Differenzerfahrung, das Bewusstsein der Nicht-Präsenz, der immerzu spannenden Nicht-Identität.
Nun ist mir diese Nicht-Identität oft einerlei, bisweilen ist sie mir sogar willkommenes Werkzeug, in dessen Handhabung ich mich übe. Es gibt jedoch auch Räume des Zwischenmenschlichen, in denen die Nicht-Identität mir geradezu körperliche Schmerzen bereitet. Weil die Sehnsucht nach Präsenz und Identität allzu groß ist. Hier verschafft die Erinnerung daran, dass Identität noch nicht einmal mit mir selbst möglich ist, zumindest ein wenig Linderung (siehe auch Nr. 34, 909).

985

Es gibt Menschen, die empfinden die Bitte, sich am Denken, am Mitdenken zu beteiligen, als Zumutung. Manche empfinden sie sogar als Vorwurf. Vielleicht, weil sie ahnen, dass jenseits des Denkens nichts mehr so bleiben kann, wie es ist. Weder in der Haltung noch in der Praxis.

Donnerstag, 2. November 2023

984

Vor einigen Tagen im Fernsehen eine Reportage zu ADHS. Der Menschenfreund Eckart von Hirschhausen recherchiert hier zu einem Thema, das ihm offenbar auch persönlich sehr nahe geht.