Seiten

Montag, 1. Mai 2023

939

Nach dem Ende von Religion und Metaphysik erleben wir derzeit so etwas wie eine Naturalisierung des Normativen – verbunden mit der Hoffnung, im Natürlichen den verlorenen Halt, die verlorene Stabilität wiederzufinden.
Die nicht wirklich überraschende Entdeckung ist jedoch diese: Das Natürliche bietet normativ nur dann Halt und Stabilität, wenn ihm ein religiöser oder metaphysischer Über- oder Unterbau vorausgesetzt wird. Ohne Kosmologie keine Norm, keine Verbindlichkeit, kein Halt, keine Stabilität in der Natur.
Die Naturalisierung des Normativen kann also nur scheitern, weil sie noch nicht einmal auf Sand, weil sie letztlich in die Luft hinein zu bauen versucht. Wer das Normative naturalisiert, der baut nichts anderes als Luftschlösser.

Anmerkung: Gerade dies ist ja der eigentümliche Winkelzug jeder Kosmologie der Natur, insbesondere auch der römisch-christlichen Naturrechtslehre: Vorgetäuscht wird eine der Natur innewohnende, nicht zuletzt moralisch verbindende Ordnung, tatsächlich aber wird diese Ordnung nicht zuletzt in moralischer Absicht in die Natur hineininterpretiert.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen