Der Vortrag wieder einmal ein buntes Feuerwerk der Symptombenennung, wieder einmal ein mehr oder weniger schulterzuckend-händeringender Versuch einer möglichen Symptombekämpfung. Bei allem Verständnis: Ich selbst beteilige mich nur noch sehr widerwillig an derartigen Versuchen. Weil die Ursache der Krankheit, weil das kranke System selbst als Ursache nicht in den Blick genommen wird – unwissentlich oder unwillentlich. Allerdings ist mir auch durchaus bewusst, dass ein Systembruch nicht mutwillig herbeigeführt werden darf. Weil wir die Nebenfolgen dieses Bruchs entweder nicht absehen oder nicht wollen können. Daher habe ich für die deutschen Streitkräfte hier und da vorgeschlagen, wenigstens kleinere Systemveränderungen vorzunehmen, sich kleinere Systemanpassungen zuzumuten – wobei die Änderungen und Anpassungen dazu geeignet erscheinen müssen, einen allmählichen Systemwechsel zumindest vorzubereiten. Vorausgesetzt ist hier natürlich, dass man einen solchen Wechsel als notwendig anerkannt hat und diesen auch langfristig verfolgen will.
Im Blick auf den Gegenstand der gestrigen Weiterbildung habe ich zum Beispiel schon vor Jahren angeregt, die deutsche Staatsbürgerschaft als Bedingung für die Übernahme in die Streitkräfte aufzugeben. Den wachsenden Bedarf an Nachwuchssoldaten werden wir weder quantitativ noch qualitativ decken können, wenn wir beim staatsbürgerlichen Modell bleiben. Wenn dieses Modell verabschiedet wird, dann muss allerdings bewusst sein und bleiben, dass mit dieser Öffnung zugleich eine Veränderung des staatsbürgerlichen Selbstverständnisses von Streitkräften und Soldaten einhergehen muss und wird. Schon der Abschied vom staatsbürgerlichen Einstellungsmodell würde also das bestehende System Bundeswehr als Ganzes früher oder später aus den Angeln heben.
Weil dies von den entscheidenden Entscheidern ziemlich sicher gesehen und nicht gewollt wird, bleiben nach wie vor alle systemverändernden Änderungsvorschläge in den Giftschränken der Streitkräfte. Nach wie vor werden allenfalls systemsichernde Symptombehandlungen zugelassen. Damit aber graben sich die Streitkräfte selbst das Wasser ab und legen sich selbst früher oder später trocken. Mit Folgen und Nebenfolgen für Streitkräfte, Politik und Gesellschaft, die wir weder absehen noch wollen können (zum Hintergrund Nr. 285, 824, 825).
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