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Montag, 31. Oktober 2022

877

Der Mensch ist ein symbolbildendes, ein symbolisierendes Wesen (Ernst Cassirer).

Sonntag, 30. Oktober 2022

876

Nur noch nehmen wollen, was willentlich gegeben wird. Nur noch geben wollen, was willentlich genommen wird. Unsere stärksten Bedürfnisse so handhaben zu lernen, dass wir als Nehmende wie als Gebende bloß Anbietende sind – damit wäre viel erreicht. Für uns selbst wie für andere.


Samstag, 29. Oktober 2022

875

Gestern eine militärische Weiterbildung zur Frage, wie wir Menschen für die Streitkräfte gewinnen können und wie wir uns die Menschen vorstellen müssen, die heute auf dem Kasernenhof stehen, wenn wir sie wirklich gewonnen haben.

Donnerstag, 20. Oktober 2022

874

Die zunehmend zur Schau gestellte Identitätsoffenheit der gegenwärtig heranwachsenden Generation nicht zuletzt in geschlechtlicher Hinsicht ist Ausdruck einer kulturell eingeprägten Sehnsucht: der Sehnsucht danach, die eine Identität hinter sich lassen zu können und in einer anderen Identität Zuflucht zu finden. Hinter dieser Sehnsucht verbirgt sich wiederum ein dem Christentum entwachsener Unwille der Aufklärung: der Unwille, die Wirklichkeit als solche anzuerkennen, gerade auch in der je eigenen Person, gerade auch in der je eigenen Identität. Dieser im Kern christliche Unwille äußert sich heute im Raum der Geschlechtlichkeit als transformatorischer Absolutismus der Nicht-Identität, als Absolutismus der unendlichen Identitätsverweigerung hier, als Absolutismus der unendlichen Identitätskonstruktion dort. Beide Absolutismen nötigen zu einer unendlichen Offenheit, die eine Ankunft in irgendeiner Identität, die auch so etwas wie Selbstannahme dauerhaft unmöglich macht.

Mittwoch, 19. Oktober 2022

873

Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen (Wittgenstein). Vielleicht gilt aber auch: Was nicht vernommen werden kann, das muss nicht gesagt werden.
Es sind nicht nur meine gegenwärtigen Existenzbedingungen, die mein Denken und Sprechen stilllegen. Es ist auch die in mir herangewachsene Anerkenntnis, dass keine Interpretation notwendig, schon gar nicht zwingend ist (zu Nr. 837).

872

Gerade noch einmal einen dieser Lebensmomente zwischen Widerstand und Ergebung durchschritten. Erneut die immer gleiche Beobachtung: Der Augenblick der Offenheit, in dem wir noch nicht wissen, was uns zu wollen bleibt, ist ein ängstigender Augenblick der Unentschiedenheit und der Unentscheidbarkeit. Es ist ein Augenblick der Vorbereitung darauf, so oder so wollen zu können. Jenseits dieses Augenblicks, wenn wir entschieden haben oder wenn entschieden ist, bleibt daher unvermeidlich immer beides: Verärgerung und Erleichterung.