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Dienstag, 28. Dezember 2021

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Einer dieser unverfügbaren Momente, in denen uns die Wahrheit findet: Das Geheimnis der ἀνομία (2 Thess 2,7), dem ich nun schon seit so langer Zeit auf der Spur bin, hat sich mir in einem unerwarteten Augenblick entschlüsselt. Viele Jahre der bisweilen verzweifelten Arbeit an Begriffen und Interpretationen erweisen sich plötzlich als unverzichtbar, als not-wendig.
Die nun anstehende öffentliche Entschlüsselung des Geheimnisses der Anomie wird zweifellos wirkungslos bleiben. Und in gewissem Sinne ist das auch gut so. Für mich selbst bleibt jedoch ein kostbarer Moment, der mich unmittelbar an Luthers Formulierungen in der Vorrede zum ersten Band der Wittenberger Ausgabe seiner lateinischen Schriften (1545) erinnert, mit deren Hilfe er seinen inneren Zustand nach der Entschlüsselung des Geheimnisses der Gerechtigkeit Gottes zum Ausdruck zu bringen versucht: „Da hatte ich das Empfinden, ich sei geradezu von neuem geboren und durch geöffnete Tore in das Paradies selbst eingetreten. Da zeigte mir sofort die ganze Schrift ein anderes Gesicht. Ich durchlief dann die Schrift nach dem Gedächtnis und sammelte entsprechende Vorkommen auch bei anderen Vokabeln […]. Wie ich vorher die Vokabel ‚Gerechtigkeit Gottes‘ gehasst hatte, so pries ich sie nun mit entsprechend großer Liebe als das mir süßeste Wort.“

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