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Mittwoch, 30. Dezember 2020

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Auf der Suche nach tröstlichen und ermutigenden Gehalten reservativen Glaubens steht mir in den vergangenen Tagen noch einmal Paulus vor Augen. Seine spezifische Variante einer messianischen Wirklichkeitsanschauung ist auf dem Boden jüdischer Denktradition entwickelt, lässt diese aber auch nachdrücklich hinter sich. Oder vielleicht besser: Sie geht reformatorisch und aufklärend zugleich hinter sie zurück und über sie hinaus.

Samstag, 26. Dezember 2020

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WhatsApp-Status einer lieben Freundin: „Nur ja die Ohren nicht hängen lassen! Nie! Denn es wird regiert.“ Letzte Worte Karl Barths.
Für derartige Ermutigungen bin ich durchaus empfänglich. Sie lassen sich ja auch reservativ denken und sprechen. Es muss aber bewusst gehalten werden: Gemeint sind diese Worte als kontrafaktische Wahrheit eines auf eine nicht-wirkliche Wirklichkeit sich abstützenden Glaubens. Ein qualitatives Kriterium, das angeben könnte, was diese Wahrheit von einer bloßen positivistischen Fiktion unterscheidet, ist uns heute nicht mehr zuhanden. Und: Ganz im calvinischen Sinne meint die Glaubenswahrheit Barths ausdrücklich nicht eine existenzielle Schonung, ein existenzielles Herausgenommensein des Glaubenden. Vom nicht-wirklich Regierenden regiert zu werden meint vielmehr totale existenzielle Mitbetroffenheit im Prozess des Aufgerolltwerdens des Wirklichen (siehe Nr. 346). So gesehen neigt die Ermutigung Barths unausgesetzt dazu, in eine Zumutung umzuschlagen. Dem muss der Glaubende sich auszusetzen bereit sein.

Montag, 21. Dezember 2020

678

Was bleibt im Denken nach einem Jahr radikaler äußerer Umbrüche und Zumutungen? Nicht viel mehr als eine unbestimmte Intuition geistiger Betäubung, eine beunruhigende Sorge vor heraufziehender geistiger Lähmung.

Nach wie vor mühe ich mich um fragmentarische Auffrischung und Anregung. Zunächst ein wenig Nietzsche, dann Heidegger, jetzt eine erste Annäherung an Cassirer. Alles zweifellos zuträglich, aber doch bloß im Sinne einer eher passiven Differenzwahrnehmung und Abgrenzung. Was mir vor allem fehlt, ist die aktive Beobachtung und Ausformulierung meines Eigenen. Mein eigenes Denken bleibt mir ein weitgehend unentdecktes und vor allem unbestelltes Land. Die eigene Interpretation als Brache.

Und über allem steht und bleibt das alte Wort des Predigers: Auch das ist eitel. Also iss und trink und sei guten Mutes bei allem Mühen, das du dir machst unter der Sonne dein Leben lang, das Gott dir gibt. Denn das ist dein Teil.