Seiten

Donnerstag, 12. April 2018

379

Es gibt eine göttliche Fügung, es gibt aber auch eine teuflische Fügung. Die göttliche Fügung reizt, ermutigt zur Freiheit von der Weltwirklichkeit, die teuflische Fügung nötigt hinein in die totale Funktionalität, in den absoluten Gehorsam gegenüber den Befehlen der Weltwirklichkeit. Ob etwas für uns göttliche oder teuflische Fügung ist, hängt ab von unserer Interpretation, von unserem Glauben. Ob wir in unserer Interpretation selbst als Verfügende auftreten, oder ob über unsere Interpretation verfügt wird, lässt sich kaum sagen. Auch das ist Interpretation. Luthers Annahme, wir seien bloß Lasttiere, die nicht darüber verfügen können, wer sie reitet, Gott oder Teufel, drängt sich heute allerdings mehr auf denn je.

Anmerkung 1: Die göttliche Fügung, die uns alles zum Besten dienen lässt (Röm 8,28), zielt gerade nicht auf weltwirkliches Gelingen, Wohlsein, Glück. Das Beste dieser Fügung meint nicht weltwirkliche Bedürfnisbefriedigung. Es meint Freiheit aus Glauben, meint am Ende auch Freiheit von Gelingen, Wohlsein, Glück. Wie kann uns in diesem Sinne alles zum Besten dienen? Indem wir alles in diesem Sinne interpretieren, glauben, indem wir uns in diesem Sinne „alle Dinge zum Besten dienen lassen“ (Bonhoeffer).

Anmerkung 2: Es ist nicht wahr, dass dem Reichen die Freiheitsinterpretation, der Glaube schwerer fällt als dem Armen. Zwar ist der Satz wahr: „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme“ (Mk 10,25). Der gleiche Satz gilt aber auch für den Armen. Nur, weil Jesus diesen Satz nicht gesagt hat, ist er nicht falsch. Die teuflische, bindende, funktionalisierende Fügung setzt beim Armen lediglich an einer anderen Stelle an und führt zu anderen Konsequenzen. Mit gutem Grund betet Agur: „Armut und Reichtum gib mir nicht“ (Spr 30,8). Reichtum und Armut stehen dem Besten göttlicher Fügung gleichermaßen im Wege.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen