Samstag, 29. Juli 2017
303
Ethik, existenziell und nicht bloß akademisch begriffen, wird nicht selten von überaus wohlmeinenden, sich in übersteigertem Maße für die Weltwirklichkeit verantwortlich wissenden Menschen betrieben. Der Kampf des (repräsentativen) Ethikers ist aber stets ein Kampf gegen Windmühlen, und je nach psychischer Konstitution kann sich dieser Ethiker kaum vor Verzweiflung und Verbitterung schützen.
Mittwoch, 19. Juli 2017
302
Die Frage eines Freundes, inwiefern reservative Theologie überhaupt noch als Theologie auftreten kann, lässt sich nicht ohne weiteres beantworten.
Freitag, 14. Juli 2017
301
Vorhin eine nette kleine Begebenheit: Wir sitzen auf der Terrasse und essen zu Mittag. Am Briefkasten des Nachbarhauses steht ein Mann mittleren Alters und wirft Prospekte ein. Von der äußeren Erscheinung wirkt er wie einer, der üblicherweise in der Münchener Innenstadt die Zeitung BISS anbietet. Er bemerkt uns, wendet sich uns zu, tritt einen Schritt näher und winkt. „Habe die Ehre“, ruft er. „Eine frohe Botschaft für Sie: Wer an Jesus Christus glaubt, der hat das ewige Leben. Einen schönen Tag noch. Servus!“
Donnerstag, 13. Juli 2017
300
Ein kleiner Text zur neuen deutschen rationalen Theologie, zur philosophischen Erneuerung der christlichen analogia entis bei Volker Gerhardt und Holm Tetens, ist fertig. Während der Lektüre der beiden Bücher kam mir gelegentlich die reformatorische, vor allem von Calvin pointiert eingeforderte Unterscheidung von Schöpfer und Schöpfung in den Sinn. Was Tetens, vor allem aber Gerhardt in ihren (panentheistischen) Entwürfen betreiben, neigt gegen diese Unterscheidung sichtlich zur Kreaturvergötterung.
Die Neuvergötterung der Wirklichkeit in postsäkularer Zeit muss durch ein reformatorisches, ontologisch-existenzial radikalisiertes sola unterbunden werden. Sola fide – nichts Wirkliches kann helfen, allein der Glaube eines Nicht-Wirklichen. Sola gratia – das Nicht-Wirkliche ist die Annahme des (fremden) als ob nicht des Wirklichen. Sola scriptura – Annahme und Entfaltung des als ob nicht werden wirklich durch das Wort, durch Uminterpretation des Wirklichen durch das Wort. Solus Messias – die Uminterpretation des Wirklichen findet ihren Ermöglichungsgrund im messianischen Ereignis.
Die Neuvergötterung der Wirklichkeit in postsäkularer Zeit muss durch ein reformatorisches, ontologisch-existenzial radikalisiertes sola unterbunden werden. Sola fide – nichts Wirkliches kann helfen, allein der Glaube eines Nicht-Wirklichen. Sola gratia – das Nicht-Wirkliche ist die Annahme des (fremden) als ob nicht des Wirklichen. Sola scriptura – Annahme und Entfaltung des als ob nicht werden wirklich durch das Wort, durch Uminterpretation des Wirklichen durch das Wort. Solus Messias – die Uminterpretation des Wirklichen findet ihren Ermöglichungsgrund im messianischen Ereignis.
Mittwoch, 12. Juli 2017
299
Kürzlich habe ich in einem lutherischen Gottesdienst eine Predigt zu Lukas 15,3–7 gehört. Geboten wurde eine allgemeine Besinnung zum Verlieren, Suchen und Finden – und natürlich eine freundliche Erinnerung an Gott, an den, der uns findet.
Die überraschende und radikale Pointe des Gleichnisses hat der Ausleger – eher ein unbedarfter Nacherzähler – übersehen, vielleicht sogar ignoriert. Von Gott, von der Gotteswirklichkeit gefunden wird der, der sich auf das einlässt, was in deutschsprachigen Bibeln üblicherweise und moralisierend missverständlich mit Buße übersetzt wird: auf eine metanoia, auf einen Prozess der fundamentalen Änderung des eigenen Sinnes, der radikalen Uminterpretation von Wirklichkeit und eigener Existenz. Praxis inbegriffen. Gefunden werden ist also nicht weniger als eine Revolution der Denkungs- und Lebensart.