Noch einmal steht mir in dieser Situation Franz Overbeck vor Augen. Vor einigen Jahren, als ich noch guter Hoffnung war, eine wirksame reservativ-messianische Sprache ausfindig machen zu können, schien es mir noch abwegig, seine Strategie zu wählen: in der Lehre die beständige, hier und da dekonstruktiv gewendete Reproduktion dessen, was längst als nicht tragfähig und untragbar durchschaut ist (siehe Nr. 181). Mittlerweile drängt sich mir diese Strategie geradezu auf. Sie erscheint mir nun als eine durchaus geeignete Weise, Lehre als Beruf unter Gültigkeitsbedingungen messianisch zu handhaben. Schließlich muss man jenen, die man belehrt, immer auch die Möglichkeit eröffnen, die üblichen Gültigkeiten existenziell auf ihre Haltbarkeit hin zu überprüfen. Voreilige Aufklärung verhindert unter Umständen die notwendige, existenzielle Entzauberung.
Erste Anmerkung: Die so vorgestellte Handhabung der Lehre als Beruf ließe sich durchaus auch als eine messianische Variante des reformatorischen usus elenchticus legis begreifen. Gültigkeitslehre in diesem Sinne wäre dann Bedingung der Möglichkeit der Wirklichkeitsentzauberung überhaupt (siehe Nr. 115). Bei jenen, die selig werden, zeigt die Behauptung des Gesetzes früher oder später eine paradoxe, entzaubernde Wirkung. Die Masse dagegen verkrümmt sich ohnehin in ihrer Gesetzlichkeit.
Zweite Anmerkung: Die erneute Auseinandersetzung mit Overbeck hat mich auch noch einmal einen Blick werfen lassen in seine kleine Abhandlung Ueber die Christlichkeit unserer heutigen Theologie (1873). Overbeck fehlen hier noch die geeigneten Begriffe, vor allem fehlt ihm die hilfreiche Differenzierung zwischen christlicher und messianischer Interpretation. Und doch ist bei ihm bereits treffend die folgenreiche Bruchstelle zwischen beiden Interpretationen markiert. So diagnostiziert Overbeck ganz richtig, „dass sich das Christenthum mit einer Theologie ausgestattet hat, erst als es sich in einer Welt, die es eigentlich verneint, selbst möglich machen wollte“. Zudem, „dass das Christentum mit seiner Theologie sich auch den Weisen der Welt empfehlen und vor ihnen sehen lassen wollte“ und dass die christliche Theologie damit „nichts anderes als ein Stück der Verweltlichung des Christenthums“ ist, „ein Luxus, den es sich gestattete, der aber, wie jeder Luxus, nicht umsonst zu haben ist“.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen