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Sonntag, 23. März 2025

1129

Nicht Gott, nicht Allgemein, nicht Selbst, weder heteronom noch autonom sein. Sondern im Angesicht der gegebenen heteronomen und autonomen Bestimmungsgründe, im Rahmen der Möglichkeiten und Grenzen, die von der jeweiligen Natur gesetzt sind, das jeweils Wirkliche durch Tun oder Lassen jeweils angemessen handhaben. Das ist messianische Mündigkeit.


1128

Warum das Denken des Vergültigungsdenkers praktisch scheitern muss: weil es nicht zuletzt auch auf anthropologische Voraussetzungen setzt, die noch nicht einmal beim Denkenden, noch viel weniger aber bei den konkreten Gedachten gegeben sind.


1127

Selbst unser Freiheitsbegriff ist funktional.


Sonntag, 16. März 2025

1126

Messianische Existenz lässt sich vergleichen mit der Existenz des Beifahrers, dem die Wahrnehmungen, Interpretationen, Zwecke und Mittel des Fahrers fremd geworden sind. Mitfahrend fehlt ihm jede Sprachfähigkeit, und immer dann, wenn er wenigstens Anknüpfungspunkte zu setzen und zu nutzen versucht, wird er entweder falsch interpretiert oder unwillig zurückgewiesen. Und während der Fahrt auszusteigen, ist schlechtweg keine Option.


1125

Im Verlauf des vergangenen Jahres habe ich mich stillschweigend vom Begriff des Wartens verabschiedet, damit auch von den für mein Denken so entscheidenden Begriffen des tätigen Wartens und der wartenden Tat. Im Begriff des Wartens ist bereits eine wichtige messianische Differenz angedeutet, und dennoch ist dieser Begriff lediglich ein Hilfsbegriff im interpretatorischen Übergang. In ihm ist die apokalyptische Erregung, zugleich die eschatologische Ungeduld des Christentums und seiner Säkularisate noch allzu sehr konserviert und präsent. Beides ist im reservativen Messianismus aufgegeben, losgelassen. Hier ist jedes Warten durch das abgelöst, was man vielleicht innehaltendes Dasein nennen könnte.


1124

Mit Blumenberg: Es ist etwas anderes, am Anfang oder am Ende eines Weges Ruhe zu finden. Es ist etwas anderes, einen Ruf abzuwarten oder einen solchen erst gar nicht zu erwarten. Der wesentliche Unterschied: Man erntet nicht das Dazwischen, die innere Verwandlung der Interpretation, den Sieg über den inneren Feind, über die Sehnsucht nach Identität. Allein das Abzwecken mündet im Ab-Zwecken. Allein das Abwarten mündet im Ab-Warten.


Samstag, 15. März 2025

1123

Zu Blumenberg eine Beobachtung: ein eindrückliches Beispiel dafür, wie sich im Denken die natürliche Eigentümlichkeit des Denkers spiegelt, dass Denken zuletzt nichts anderes ist als die Legimitation der Eigentümlichkeit des jeweils Denkenden.


1122

Wenn wir für uns in Anspruch nehmen, das Überkommene und Gewohnte überdenken und verlassen zu müssen, dann fordern wir dies ja zugleich auch für jene, die nach uns kommen. Für sie ist das, was wir hinterlassen, das Überkommene, also das, was überdacht und verlassen werden muss. Hoffen können wir lediglich, dass jene, die uns folgen, nicht dem Paradigma des Fortschritts, sondern dem der Entzauberung folgen.


1121

Das Prinzip ist der Feind des Möglichen.


Freitag, 14. März 2025

1120

Ich lese (über) Blumenberg und werde dabei unablässig an Derrida erinnert. Ob die beiden einander gelesen haben, weiß ich nicht. Ihr Denken ist jedoch vergleichbar entgründend. In diesem wie in jenem Denken öffnet sich ein sprachlicher Hiatus, Blumenberg und Derrida öffnen durch Sprache einen Hiatus. Blumenbergs Hiatus unterscheidet sich jedoch fundamental von dem Derridas. Wenn ich diesen Unterschied beschreiben sollte, dann würde ich wohl sagen: Blumenbergs und Derridas Denken und Sprechen folgt je unterschiedlichen Paradigmen. Blumenberg blickt (noch) auf das, was nie (mehr) ankommen kann. Derrida dagegen blickt (schon) auf das, was (noch) im Ankommen begriffen ist. Man könnte vielleicht auch sagen: Zwischen Blumenberg und Derrida kippt das (verbleibende) Metaphysische endgültig ins (vorläufige) Messianische.


1119

Die religiöse (existenzielle) Innenwahrnehmung beobachtet erwartungsloses Vertrauen. Die nicht-religiöse (diagnostische) Außenwahrnehmung beobachtet Fatalismus.


Donnerstag, 13. März 2025

1118

Gegen Blumenberg: Selbstbehauptung, in welcher Form auch immer sie gedacht wird oder in Erscheinung tritt, ist nicht Wirklichkeitsdistanzierung. Als Gültigkeit, als Gültigkeitsbehauptung ist Blumenbergs Selbstbehauptung selbst Wirklichkeit, ist sie eine Erscheinungsform des Wirklichen. Mit den vor allem sprachlichen Mitteln, die Blumenberg bereitstellt, ist es nicht möglich, sich dem Absolutismus des Wirklichen zu entziehen oder sich gar über das Wirkliche zu erheben.


1117

Kürzlich wurde ich nach meiner Stärke gefragt, nach dem, worin ich besonders gut sei. Wenn ich hier überhaupt etwas zu benennen bereit wäre, dann würde ich wohl sagen: Meine Stärke liegt im Ausharren, im Verharren, im Dasein – und dies ausdrücklich im messianischen Sinne. Diese Stärke ist keine Eigenschaft, schon gar keine Gabe. Es ist ein durch unausgesetzte messianische Interpretation und Erinnerung angeeignetes, wenngleich immer auch brüchiges Können.

Mittwoch, 5. März 2025

1116

Die hellenische Wirklichkeitsdistanzierung, damit zugleich die christliche, ist eine andere als die messianische. Die eine ist geboren aus dem erstaunten Bemühen, das als harmonische Einheit wahr- und angenommene Wirkliche zu durchschauen, es zu rationalisieren, ihm zu entsprechen oder gar sich seiner zu bemächtigen. Die andere ist geboren aus dem ernüchterten Bemühen, sich dem als fragmentierte Differenz wahr- und angenommenen Wirklichen zu entziehen, ihm nicht mehr zu entsprechen, seine Bemächtigung zu durchbrechen.

1115

Wer seine eigene Erzählung nicht kennt, wem überdies gleichgültig ist, wie diese Erzählung geworden ist, der darf sich nicht wundern, wenn er sich selbst nicht oder falsch versteht.

Sonntag, 2. März 2025

1114

Was als Freiheit bezeichnet werden könnte: ein Wille ohne Geschichte.

Samstag, 1. März 2025

1113

Die Frage nach dem Selbstverständnis ist Symptom für das fragwürdig gewordene Selbstverständliche (Blumenberg).