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Samstag, 1. Februar 2025

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In der wirklichen Demokratie wird die Willkür des absolutistischen Herrschers nicht etwa durch die Bestimmtheit eines volonté générale, sondern vielmehr durch die Kontingenz wechselnder Mehrheiten abgelöst. Diese Kontingenz lässt sich in Massendemokratien allein noch kanalisieren und begrenzen durch dauerhaft stabile Institutionen und Verfahren. Kaum ein anderer hat dies in den vergangenen Jahrzehnten so klar gesehen und vertreten wie Habermas. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Habermas das Phänomen der Sozialen Medien mit wachsender Sorge, mittlerweile geradezu resigniert beobachtet. Soziale Medien untergraben gegenwärtig die Stabilität von Institutionen und Verfahren erfolgreicher und rücksichtsloser als andere Mächte. Sie sind so gesehen nicht etwa höchste Form der Demokratie, sie sind vielmehr das Ende jener Formen, auf die Demokratie um ihres Überlebens willen angewiesen ist (siehe auch Nr. 969).

Anmerkung: Wir werden früher oder später nicht umhin können, unsere Massendemokratien strukturell umzubauen. Immer, wenn ich angesichts dieser Annahme damit beginne, eine mögliche Vorstellung zu entwickeln, steht mir Calvin vor Augen. Er hält jene Regierungsform für die glücklichste, in der aristokratische und volksherrschaftliche Elemente miteinander verbunden sind. Das ist ein durchaus kluger Gedanke. Ob er sich allerdings auch in modernen Massendemokratien realisieren lässt, steht dahin.

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