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Mittwoch, 2. Juni 2021

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Agambens Römerbriefkommentar. Eine beeindruckend gelehrte, unverzichtbar lehrreiche Sammlung begrifflicher Aufklärungen und Differenzierungen. Und doch bleibt Agambens Neuannäherung an Paulus hinter Paulus selbst zurück. Agamben verharrt auf der Schwelle, er verharrt in dem Bemühen, insbesondere den Begriff der Zeit umzuinterpretieren, einen veränderten, messianischen Zeitbegriff anzubieten. Absicht ist es, mit einem veränderten Zeitbegriff zugleich einen veränderten Wirklichkeitsbegriff zu entwickeln, einen Begriff, der zuletzt eine wirkliche (politische) Transformation von Wirklichkeit eröffnet. Das ist geradezu anti-paulinisch. Agamben fehlt die paulinische Bereitschaft, das Weltwirkliche tatsächlich loszulassen. Ihm fehlt die dies allererst ermöglichende paulinische Fiktion, ihm fehlt der paulinische Glaube einer ganz anderen, nicht und niemals wirklichen Wirklichkeit, in der die Weltwirklichkeit als aufgehoben und überwunden durch- und angeschaut werden darf. Agamben fehlt also der Ermöglichungsgrund für ein paulinisches Verständnis des als ob nicht im eigentlichen Sinne. Agambens als ob nicht tendiert unausgesetzt dazu, ein wirklich nicht zu verlangen, in ein wirklich nicht abzukippen. Und so wundert es nicht, dass auch Agambens grundsätzlich so erhellende begriffliche Aufklärungen und Differenzierungen zuletzt nicht das bereit halten, was Paulus selbst bereit hält: Freiheit. Entängstigende Freiheit.

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