Mittwoch, 27. Februar 2019
446
Eine dieser entlarvenden Floskeln unserer Tage: „Sorry“. Gerne lächelnd und winkend dahingesungen, gerne in der unverwechselbar deutschen Zäpfchen-R-Variante. Wer „Sorry“ sagt, hatte noch nicht einmal die Absicht, auf Bedürfnisse und Interessen anderer Rücksicht zu nehmen. Wer „Sorry“ sagt, der wird nach der flüchtigen Wahrnehmung, dass er Bedürfnisse und Interessen anderer missachtet hat, weder seine Haltung noch sein Verhalten überprüfen. Wer „Sorry“ sagt ist wie einer, der sich im Spiegel anschaut, kurz darauf aber wieder vergessen hat, wie er aussieht (Jak 1, 23/24). Wer „Sorry“ sagt, der sagt auch „Ich entschuldige mich“ – obwohl doch nur der Andere, dessen Bedürfnisse und Interessen missachtet werden, entschuldigen, die Schuld erlassen kann.
445
Dass in unseren Tatsachenaussagen hintergründig immer auch unsere Interpretationen, auch unsere stillen Wertungen präsent sind, kann wohl nicht ernsthaft in Frage gestellt werden. Und doch ist die Werturteilsfreiheit empirischer Wissenschaften eine unverzichtbare Fiktion. Sie ist in der empirischen Wissenschaft so unverzichtbar wie die Fiktion des methodischen Atheismus.
444
Kurz vor der Entsorgung Blumenbergs Kant und die Frage nach dem „gnädigen Gott“ (1954) noch einmal gelesen. Großartig. Die These der späteren Legitimität der Neuzeit (1966) in einer Nussschale. Ein Text, der mein Denken vor nun fast zwanzig Jahren gebündelt und nachhaltig orientiert hat.
Donnerstag, 21. Februar 2019
443
Ich entsorge gerade zehntausende Kopien. Zeugnisse einer noch nicht digitalisierten Wissenschaft, vor allem aber Zeugnisse eines sich nun dem Ende entgegen neigenden akademischen Weges. Mit manchen Texten verbinde ich wesentliche innere Entwicklungsschritte. Hatte soeben noch einmal Karl Barths „Nein“ gegen Emil Brunner in der Hand, ein lautstarkes Votum, das mich in ein eigentümliches Nähe-Distanz-Verhältnis zu Barth versetzt hat – ganz ähnlich vielleicht jenem Verhältnis, das Bonhoeffer über die Jahre zu Barth aufgebaut hat. Nun liegt Barths „Nein“ im Altpapier-Container. Und der Abschied fällt angenehm leicht. Barth hat, wie mein akademischer Weg überhaupt, sein Werk an mir verrichtet. Requiescat in pace.
Dienstag, 12. Februar 2019
442
Satz eines lieben und klugen Mit-Menschen: Auch Scheitern gelingt nicht immer. Das meint auch: Das Scheitern des Scheiterns ist das Ende der Bequemlichkeit.