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Sonntag, 27. Mai 2018

390

Bei Adrian McKinty gefunden: Trauern heißt Wissen. Wer am meisten weiß, muss am tiefsten trauern. Der Baum der Erkenntnis ist kein Baum des Lebens.
Der Mann hat nicht umsonst in Oxford Philosophie studiert. Alte biblische Weisheiten: Denn wo viel Weisheit ist, da ist viel Grämen, und wer viel lernt, der muss viel leiden (Koh 1,18).

Samstag, 26. Mai 2018

389

Überzeugungen sind zumeist bloß Kenntnisdefizite.

Freitag, 25. Mai 2018

388

Überzeugend hat mir noch niemand erklären können, wie eine theologisch begründete Nachhaltigkeitsforderung und ein jesuanischer Verzicht auf die Sorge für den nächsten Tag (Mt 6,34) zusammen gedacht werden können. Nachhaltigkeit scheint mir eher Flucht zu sein. Nachhaltigkeit ist (wie vieles andere auch) ein positives christliches Surrogat für die (reservative) Interpretation und Handhabung der Welt durch die Annahme des Reiches Gottes und seiner Gerechtigkeit hindurch (Mt 6,33). Es soll repräsentativ hergestellt werden, was reservativ gewissermaßen als Abfallprodukt zufallen würde.

387

Evangelische Theologie und Kirche (in Deutschland) verstehen ihr Verhältnis zum modernen bürgerlichen System gerne als kritische Solidarität. Kritik meint nun aber nicht, dass eine theologisch begründete existenzielle Distanz gewahrt wird zu diesem System – wie zu jedem anderen gesellschaftlichen und politischen System auch. Kritik meint vielmehr, dem bürgerlichen System in der Dramaturgie seiner Rationalitäten immer einen Schritt voraus zu sein, ihm in seinen Verengungen und Zuspitzungen gewissermaßen vorauseilend zu gehorchen. Theologie und Kirche sind heute also eher gelehrige Schüler des Systems, weniger dessen kritische Wächter.

Samstag, 19. Mai 2018

386

Kürzlich habe ich mich bei einer Einrichtung beworben, die für einen mir besonders fremden und heute wenig hilfreich erscheinenden Typus protestantischen Christentums steht. Und man hat mich tatsächlich eingeladen. Der Grund ist mir unbekannt, aber gewinnen wollte man mich sicher nicht. Das Bewerbungsgespräch war für mich eher unangenehm, was auch an meiner für alle spürbaren Zögerlichkeit und Oberflächlichkeit lag. In der Rückschau sehe ich immer deutlicher den Grund dafür: Ich bin grundsätzlich kein Meister der spontan treffenden Formulierung. Mein Denken benötigt immer Zeit. In diesem Falle aber musste ich mich auf nahezu jede Frage hin spontan innerlich verbiegen. Und so schnell, wie es nötig gewesen wäre, wollten mir die konkreten Halbwahrheiten und Verdrehungen einfach nicht in den Sinn kommen.

Freitag, 18. Mai 2018

385

Es gibt Menschen, die ihre äußere und innere Unansehnlichkeit durch überhebliches Gehabe zu tünchen versuchen. Das kann nicht gelingen. Ihr Dünkel macht sie bloß hässlicher.

Sonntag, 6. Mai 2018

384

Ein Gedanke im Angesicht jugendlich unaufgeklärter Religiosität: Vielleicht ist der religiöse, der repräsentative Glaube etwas für die Jugend der Welt, für die Weltjugend. Reservative Ernüchterung und reservativer Glaube bedürfen dagegen der aufklärenden Welterfahrung, können sich nur einstellen im Angesicht der Weltnichtigkeit, sind also etwas für das Alter der Welt, für das Weltalter. Was ist dann die Moderne? So etwas wie eine zweite Pubertät? So etwas wie eine Midlife Crisis? So etwas wie eine Flucht vor dem, was man unvermeidlich anzuerkennen gezwungen sein wird aber noch nicht anzuerkennen bereit ist?

383

Gehen Repräsentation und Reservation zusammen? Gibt es einen Kompromiss zwischen als ob und als ob nicht, eine Art Gleichzeitigkeit? Die natürliche Sehnsucht nach dieser Gleichzeitigkeit ist groß, und die christliche Religion bedient sie, befriedigt sie, wo sie nur kann. Jedoch: Die Gleichzeitigkeit von als ob und als ob nicht ist eine Gleichzeitigkeit von Gott und Göttern.

382

Bei Jochen Klepper eine vertraute Erfahrungs- und Interpretationsstruktur wiederentdeckt: In der Weltwirklichkeit nicht anders zu können, als gültig zu sein, als etwas zu sein. In der Welt auch etwas sein zu wollen, vor allem etwas für die Welt, für andere da sein zu wollen. In allem aber die Erfahrung der Verungültigung, die unausgesetzte Wahrnehmung dessen, was Klepper den Strich nennt, den verungültigenden Strich durch alles Gültigsein, vor allem durch alles Gültigseinwollen. Dabei unter dem Strich die Demütigung, die wachsende Bereitschaft, alles Gültigsein und Gültigseinwollen aufzugeben, loszulassen, zugleich allerdings das nicht zu beruhigende, zur Rastlosigkeit zwingende Gefühl der Vorbereitung. Zuletzt auch der Strich durch dieses Gefühl.