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Freitag, 17. Februar 2017

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Kants Entwurf „Zum ewigen Frieden“ gründet in einem Akt der vorbehaltlosen Unterbrechung, in einem Augenblick der bedingungslosen Suspension aller natürlichen, politischen, rechtlichen und sonstigen Kausalitäten (erster Präliminarartikel). Von diesem Augenblick, der sich als Augenblick der Gnade begreifen lässt, ist alles Weitere abhängig. Wie dieser Augenblick gedacht wird, wie von ihm ausgehend das Politische gedacht wird, ist entscheidend.

Kant beendet den Gnadenfrieden, indem er eine neue, vermeintlich heilsame Maschinerie des freiheitlichen Vernunftrechts in Gang setzt, Frieden als Rechtsfrieden konstruiert. Der Gnadenfrieden wäre jedoch besser als der Rechtsfrieden. Die Herausforderung des Denkens, der Kant sich noch nicht stellt, liegt darin, den Augenblick der Suspension als endgültig zu begreifen: als Augenblick der Dispensation, als Augenblick der endgültigen Verungültigung (als ob nicht). Von dieser Interpretation ausgehend, ließen sich das Politische und wohl auch das Recht anders, ganz anders denken. Ich kenne derzeit niemanden, der diese Interpretation so mutig und konsequent vorbereitet, wie Giorgio Agamben.

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