Donnerstag, 29. Mai 2025
1144
Alles, was aus Glauben wirklich werden kann, ist im Grunde genommen nichts anderes und nicht mehr, als das wirklich Mögliche. Das wirklich Mögliche ist gewissermaßen die natürliche Grenze des aus Glauben Möglichen. Der praktische Glaube tut gut daran, diese Grenze zu achten und zu wahren. Es ist unklug und destruktiv, glaubend unablässig gegen die wirklich gesetzte Grenze vorzugehen. Wir sollen (dürfen) schließlich Menschen sein – und nicht Gott (Luther).
Samstag, 17. Mai 2025
1143
Gestern einen Podcast gehört zu religiösen Phänomenen im Raum der Sozialen Medien. Dabei noch einmal die inzwischen übliche Beobachtung: Es wird gewertet, ohne zuvor verstehen zu wollen. Dahinter verbirgt sich auch eine strategische Selbstentlastung. Die verständnislose Bewertung anderer entbindet zugleich von der Verpflichtung zur Selbstverständigung, von der Forderung, zunächst seine eigenen Wertungen verstehen zu lernen, sich also auch kritisch von sich selbst zu distanzieren.
Donnerstag, 15. Mai 2025
1142
Die Klugheit des Toren reicht selten aus, um die eigene Torheit zu erkennen oder gar anzuerkennen. Auch deshalb ist die Torheit gefährlicher als die Bosheit (Bonhoeffer). Man kann bewusst böse, aber nicht bewusst töricht sein. Die bewusste Bosheit ist halbwegs berechenbar, die unbewusste Torheit dagegen nicht.
1141
Wer wollend die Regeln bricht, der ist ungeschickt. Wer will, was die Regeln wollen, der will nichts. Wer wollend von Regeln Gebrauch macht, der ist weise.
Sonntag, 11. Mai 2025
1140
Man muss sich selbst unablässig wohlwollend misstrauen: Es kann durchaus sein, dass wir uns gerade auch durch unsere Leidensbereitschaft der Macht des Wirklichen nicht entziehen sondern ausliefern.
1139
Ein weiterer Versuch der Bestimmung messianischer Existenz in einem Begriff: Daseinswilligkeit.
Samstag, 3. Mai 2025
1138
Auch an Ockham interessiert und beeindruckt mich nicht etwa die vermeintliche oder tatsächliche Wahrheit seines Denkens oder seiner logischen Sätze. Mich interessiert und beeindruckt, was sich bei Ockham wirklichkeitsinterpretatorisch ereignet, was interpretatorisch vor ihm noch nicht möglich war, was nach ihm interpretatorisch unvermeidlich zu sein scheint.
Die Bedeutung Ockhams kann man schlechtweg nicht überschätzen. Ohne seine Umänderung der Denkart, gerade auch ohne seine Verschiebung der Wahrheit vom Wirklichen in den Satz, ist die kantische Verschiebung der Wahrheit vom Objekt ins Subjekt nicht denkbar. Zuvor auch nicht die reformatorische Reduktion der Wahrheit auf das Wort Gottes, danach auch nicht die moderne Funktionalisierung und Instrumentalisierung von Wahrheit.
Dabei gilt für Ockham selbstverständlich das, was für vergleichbar wirkungsstarke Denker auch gilt: Ihre tatsächliche Bedeutung und Wirkung haben sie weder absehen noch wollen können.
1137
Im alltäglichen Austausch über Alltägliches beobachte ich in mir einen zunehmenden Unwillen, mein Denken, mein Interpretieren zu benennen, zu erklären, zu begründen. Weil Ungültigkeitsdenken von Gültigkeitsdenkern unvermeidlich missverstanden wird. Es gibt eine messianische Nötigung zur Alltagsschweigsamkeit.