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Samstag, 21. September 2024

1055

Es ist auch unser Freiheitsbegriff, der uns irreführt und im Wirklichen abträglich wirkt. Mit Kant nehmen wir nach wie vor an, Freiheit sei das Vermögen, einen Zustand, damit zugleich auch eine Reihe von Begebenheiten oder Folgen schlechthin von selbst anzufangen. Wir glauben daran, dass unser Wille unbewirkte, erste Ursache sein kann. Dieser Freiheitsbegriff ist noch durchtränkt von der religiösen Annahme einer göttlichen creatio ex nihilo, zugleich von der christlich-theologischen Annahme einer Analogie zwischen Gott und Mensch, zwischen Schöpfer und Geschöpf.
Dieser Freiheitsbegriff ist in mehrfachem Sinne ein überheblicher. Mit ihm gaukeln wir uns vor allem vor, unser Bewusstsein sei etwas der Natur Enthobenes, etwas den Bedingtheiten des Wirklichen Entrücktes. Abgesehen davon, dass diese Gaukelei mittlerweile längst als solche durchschaut ist: Sie reizt uns einerseits zwar zu beeindruckenden schöpferischen Akten (wobei wir tatsächlich nichts aus dem Nichts erschaffen, sondern bloß natürlich funktionieren), sie reizt uns damit aber zugleich auch zu unausgesetzter, aggressiver Wirklichkeitsdestruktion (alles Neue ist immer Destruktion des Vorhandenen).
Es gilt, einen veränderten Freiheitsbegriff ausfindig zu machen, einen demütigen und demütigenden Freiheitsbegriff, der als bloß uneigentliche Bezeichnung begriffen wird und der uns nicht länger destruktiv durch das Wirkliche hindurchtreibt. Weniger destruktiv wäre etwa ein messianischer Freiheitsbegriff. Messianische Freiheit ließe sich vielleicht als Vermögen begreifen, im kontingenten und paradoxen Dickicht unablässig sich wandelnder Relationen des Wirklichen das eigene, selbst immer als bewirkte Ursache begriffene Wollen und Entscheiden durch aufmerksame Interpretation und Selbsterinnerung so zu prägen und auszurichten, dass im unmittelbar von Wollen und Entscheiden betroffenen Wirklichkeitsraum die regulären, erwartbaren Kausalitäten unterbrochen, also in ihrer Dynamik abgefedert und gedämpft werden, dass der durch Wollen und Entscheiden immer auch aufgebaute, destruktive Druck abgefangen, aufgefangen, umgeleitet und abgeleitet wird.


Freitag, 13. September 2024

1054

In der Fiktion des Ewigen ist das Wirkliche nicht manifestiert. Es ist darin vielmehr aufgehoben und überwunden.

1053

Leben ist das, was im Vergehen begriffen ist, während wir es zu realisieren versuchen.

Donnerstag, 12. September 2024

1052

Es gibt Hoffnungsverwirklichungen, über die man sich kaum noch freuen, für die man kaum noch Dankbarkeit empfinden kann. Weil die Kosten des Wartens so hoch sind.