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Mittwoch, 26. Juni 2024

1032

Social Media: Verlust der Wirklichkeitsdistanz durch Hingabe an das Alltägliche. Überzeichnung, Verzerrung, Überdehnung des Banalen und Belanglosen. Gleichgültigkeit und Gleichwertigkeit des Nichtigen. Purer, vollkommender Nihilismus.

1031

Was Tradition wird, hat seine Substanz längst verloren.

1030

Der nachwachsenden Generation ist eigentümlich, dass sie keiner Großerzählung mehr folgt. Sie folgt unzähligen zufälligen, fragmentierten, unverbundenen Kleinerzählungen. Dabei ist sie sich des Verlustes nicht mehr bewusst, verspürt keine Trauer, keine Wehmut. Ihr scheint nichts zu fehlen.
Was den Kleinerzählungen gemeinsam ist, ist die Tendenz zur Unterkomplexität, zugleich zur Überzeichnung und Dramatisierung. Das macht die nachwachsende Generation neu und anders anfällig für Radikalisierungen.

1029

Anlässlich aktueller Debatten: Die deutsche Idee des Staatsbürgers in Uniform, man muss es vielleicht einmal so sagen, ist (neben anderen) eine lebensverlängernde Maßnahme für eine sterbende okzidentale Großerzählung. Der Versuch alter weißer Menschen, ein universales und ökumenisches Ideal zu retten.

1028

Die Erzählungen, denen wir folgen, einen uns nicht. Sie halten uns vielmehr auf Distanz. Oder besser: Sie fügen der Differenz der Natur die Differenz der Sprache als Ausdruck der Differenz der Bewusstheiten hinzu.

1027

Alt werden heißt Ohnmacht anerkennen lernen.

1026

Unsere Erzählungen müssen sich erst dann bewähren, wenn die Wirklichkeit dem, was wir uns versprechen, allmählich die Bedingungen der Möglichkeit entzieht.


1025

Auf hartem Grund hinterlässt man keine Spuren. Das gilt im materiellen wie im ideellen Sinne.

Sonntag, 2. Juni 2024

1024

Die Bedingung der möglichen Wirklichkeit dessen, was wir wollen, ist das Wirkliche selbst, nicht ein absolutes Vernünftiges. Das Vernünftige ist nicht unbedingt das wirklich Mögliche.

Samstag, 1. Juni 2024

1023

Zum Zwecke der Selbstirritation folge ich hier und da den Herrnhuter Tageslosungen. Gestern noch einmal einer dieser irritierenden Sätze: „Alle, die dem HERRN widerstehen, werden zu ihm kommen und beschämt werden“ (Jes 45,24).
Wenn wir uns im Wirklichen dem Wirklichen fügen oder widersetzen, können wir nie sicher sagen, wem wir uns da eigentlich beugen, wem wir da eigentlich widerstehen: dem Wirklichen oder Gott selbst.
Dass Gott und Wirklichkeit nicht identisch sind, das haben selbst die Religiösen begriffen. Zumindest die Gebildeten unter ihnen. Und doch machen es sich gerade auch die gebildeten religiösen Moralisten in der Frage von Ergebung und Widerstand nicht selten allzu leicht.