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Sonntag, 14. Januar 2024

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Wenn sich die Alten über die Jungen beklagen, dann verweist man gerne auf Sokrates. Er soll die Nachwachsenden seiner eigenen Zeit schon ganz ähnlich beurteilt haben, wie die Alten jeder beliebigen Zeit: „Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“
Mittlerweile wissen wir, dass dieser Ausspruch Sokrates fälschlicherweise zugeschrieben wird. Die irreführende Formulierung geht auf eine studentische Arbeit Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Relevant ist an dem Pseudo-Sokrates aber auch lediglich, was damit zum Ausdruck gebracht werden soll. Man will in relativierender Absicht sagen, dass jede Klage über den Zustand der jeweiligen Jugend überflüssig sei. Diese Klage habe es schon immer gegeben, diese Klage sei schon immer gleichen Inhalts gewesen, und bislang habe sich noch immer alles, was man beklagt habe, im Laufe des Alterns verflüchtigt.
Das mag richtig sein. Was aber, wenn dem Altern und dem Alter die klärende und vereinigende Metaphysik abhandenkommt? Was also, wenn das, was man aufgeklärte Mündigkeit nennen könnte, keine halbwegs sichere Größe mehr ist? Mehr noch: Was, wenn das, was der Jugend eigentümlich ist – die Suche des Eigenen, damit zugleich auch die Kritik des Alten – was, wenn diese Eigentümlichkeit zur Eigentümlichkeit auch der Alten wird, wenn sich die Alten dem Primat der Jugend unterwerfen, wenn die Alten ewig Suchende bleiben?

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