Mittlerweile wissen wir, dass dieser Ausspruch Sokrates fälschlicherweise zugeschrieben wird. Die irreführende Formulierung geht auf eine studentische Arbeit Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Relevant ist an dem Pseudo-Sokrates aber auch lediglich, was damit zum Ausdruck gebracht werden soll. Man will in relativierender Absicht sagen, dass jede Klage über den Zustand der jeweiligen Jugend überflüssig sei. Diese Klage habe es schon immer gegeben, diese Klage sei schon immer gleichen Inhalts gewesen, und bislang habe sich noch immer alles, was man beklagt habe, im Laufe des Alterns verflüchtigt.
Das mag richtig sein. Was aber, wenn dem Altern und dem Alter die klärende und vereinigende Metaphysik abhandenkommt? Was also, wenn das, was man aufgeklärte Mündigkeit nennen könnte, keine halbwegs sichere Größe mehr ist? Mehr noch: Was, wenn das, was der Jugend eigentümlich ist – die Suche des Eigenen, damit zugleich auch die Kritik des Alten – was, wenn diese Eigentümlichkeit zur Eigentümlichkeit auch der Alten wird, wenn sich die Alten dem Primat der Jugend unterwerfen, wenn die Alten ewig Suchende bleiben?
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