In dieser Sache stehen wieder einmal verschiedene Rationalitäten gegeneinander. Unter der neuen Regierung ist die deutsche Außenpolitik noch einmal verstärkt werte- und nicht interessenorientiert. Schönbach hat demgegenüber eine interessenorientierte Position formuliert. Diese Position scheint bei ihm eigentümlich verknüpft zu sein mit einer katholischen Werteorientierung, die sich mit den Werten der Bundesregierung zumindest reibt. Schönbachs Position (als die eines militärischen Experten) könnte man nun öffentlich stützen oder demontieren. Dies geschieht aber nicht. Weil die Rollenerwartung an den deutschen Offizier klar ist: Er soll kein Diskursteilnehmer sein, sondern ein treuer Systemvertreter. Wobei sich die grundsätzliche Frage stellt, ob dies nicht genau die Rollenerwartung ist, die die Innere Führung in ihren Anfängen zu überwinden vorgegeben hatte – um die funktionalistische Rolle der Offiziere unter Wehrmachtsbedingungen hinter sich zu lassen.
Insgesamt ist der Fall Schönbach wieder ein eindrückliches Beispiel für die problematische Rolle des Offiziers im Kontext der Inneren Führung unter dem Primat der Politik. Im Jahrbuch Innere Führung habe ich 2018 dazu formuliert: „Die Innere Führung erweckt vordergründig den Eindruck, sie fordere kritische Geister. Hinter dem Schleier der Offenheit zeigt sich jedoch, dass alle Kritik allein der Systemperfektionierung zu dienen hat. Für das auch mögliche politische und militärische Andere ist die Innere Führung alles andere als offen. Sie kann daher nur ein militärisches Funktionssystem erzeugen, das langfristig auch noch den letzten General zum Schweigen bringt, das zugleich aber zunehmend Symptome der Verdrängung aufweist. Einige dieser Symptome drängen mittlerweile verstärkt an die Öffentlichkeit. Und das System reagiert ganz folgerichtig: Es diagnostiziert ein ‚Haltungsproblem‘.“
Die so beschriebene Konstellation könnte uns unter den derzeit heranreifenden Bedingungen rasch auf die Füße fallen. Sollte etwa eine unbedingte Wertebindung der Politik zu einer Eskalation im Ukraine-Konflikt führen, dann fehlen der deutschen militärischen Führung sowohl die Mentalität als auch die institutionellen Mittel, dieser Dynamik etwas entgegen zu setzen. Wie einst im Kosovo-Konflikt. Und die Krim-Frage ist zweifellos von ganz anderer Qualität.
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