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Sonntag, 7. Februar 2021

692

Der Versuch, den Leidenden an das zu erinnern, wofür er abgesehen von seinem Leid dankbar sein könne, hat immer etwas Zynisches. Wir erwarten doch auch von einem Ertrinkenden keine Dankbarkeit dafür, dass er immerhin keinen Durst leiden muss. Auch hilft es dem Ertrinkenden wenig zu wissen, dass er immerhin bei strahlendem Sonnenschein ertrinken darf. Wir leiden immer an unserem je eigenen Leid. Und dieses Leid ist und bleibt mächtig. Unter welchen Umständen auch immer.

691

In meinen berufsethischen Seminaren fordere ich die studierenden Soldaten – vor dem Hintergrund der idealistischen Versprechungen der Inneren Führung und des Staatsbürgers in Uniform – regelmäßig zur Bereitschaft auf, das Richtige und Gute auch unabhängig von äußerer Zustimmung und Anerkennung zu tun.
Die Last dieser Zumutung ist leicht. Schwer wird die Zumutung des Richtigen und Guten erst dann, wenn wir auch jenseits aller Entzauberungen, wenn wir jenseits der Einsicht in die Nichtigkeit des Wirklichen, also auch jenseits der Einsicht in die Nichtigkeit des Richtigen und Guten an unserer Wahl festhalten, das Richtige und Gute dennoch zu tun.

690

Wo Andere über Andere längst ihr Urteil gefällt haben, da bin ich selbst noch lange damit beschäftigt, die Anderen als Phänomene aufmerksam zu beobachten und nach Zugängen zu möglichen Interpretationen zu suchen. Allzu oft muss ich diesen Prozess voreilig unterbrechen, weil mich die Wirklichkeitsforderungen dazu zwingen, ein Urteil zu fällen, zumindest ein Urteil zu formulieren.