Es gibt ein Denken, das man Mit-Denken nennen kann, ein kausal-funktionales Denken innerhalb der verschiedenen Bewältigungs- und Bearbeitungssysteme, die sich im Verlauf unseres Zugriffes auf die Weltwirklichkeit etabliert haben und die sich unausgesetzt weiterentwickeln. Dieses Denken geht einher mit einem oft hoch komplexen und beeindruckenden Wirklichkeitswissen.
Es gibt ein Denken, das man Über-Denken nennen kann, eine Art Reflexion des Mit-Denkens, ein Denken, das Teil des jeweiligen Systems bleibt und auf Optimierung des Mit-Denkens im System, damit auf Optimierung des jeweiligen Systems selbst, letztlich auf Optimierung des Wirklichen ausgerichtet ist.
Es gibt ein Denken, das man Hinaus-Denken nennen kann, der vehemente, zumeist durch eine fundamentale Verunsicherung oder Irritation motivierte Versuch, sich über Herkunft und Zukunft des Mit- und Über-Denkens zu orientieren, das Bemühen darum, die verschiedenen Bewältigungs- und Bearbeitungsversuche des Wirklichen, damit letztlich die Wirklichkeit selbst zu verstehen, sie zu durchschauen.
Und schließlich gibt es ein Denken, dass man Nichts-Denken nennen kann, ein Denken jenseits des Verstehens und Durchschauens, ein Denken, das sich der Nichtigkeit des Wirklichen stellt, ein Denken, das den Sprung in den Abgrund des Nichts wagt, das im Nichts zu denken wagt, ein Denken, das das Nichts zu denken wagt. Das Nichts-Denken ist Denken im eigentlichen Sinne.
Mit-Denker nennen wir Fachleute oder Experten. Über-Denker nennen wir Diagnostiker oder Kritiker. Mit-Denker und Über-Denker sind nichts anderes als Diener des jeweiligen Systems, letztlich Diener der Wirklichkeit.
Hinaus-Denker nennen wir Grübler oder Zweifler. Sie sind wertvolle Wegweiser der Freiheit. Nichts-Denker nennen wir mit Fug und Recht Philosophen oder Theologen (wer das Nichts im Nichts nicht zu denken wagt, ist weder Philosoph noch Theologe). Sie sind Denker der Freiheit.
Mit-Denker sind ein Massenprodukt der Moderne. Der moderne Mensch ist Mit-Denker. Nichts-Denker dagegen sind selten geworden unter der Sonne. Sie wohnen heute (vielleicht aber auch schon immer) fern voneinander, wie Luther sagen würde.
Die Spannung zwischen Mit-Denken einerseits und Nichts-Denken andererseits ist unendlich. Man kann kaum beides zugleich – mit-denken und nichts-denken. So gesehen ist die Moderne der Tod von Philosophie und Theologie. Vielleicht aber auch Vorbereitung dessen, was wir allererst Philosophie und Theologie werden nennen können (wobei uns die Unterscheidung der beiden Fakultäten dann kaum noch etwas zu sagen haben dürfte).
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