Mittwoch, 6. Juni 2018
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Im Netz bin ich heute auf eines dieser anregenden Interviews mit Slavoj Žižek gestoßen. Žižek trug dabei wieder einmal ein T-Shirt mit dem ihn und sein Denken repräsentierenden Motto Bartlebys: „I would prefer not to“. Ich habe viel Verständnis für dieses kritische politische Statement, und es kommt meinem eigenen, reservativen Statement durchaus nahe. Und doch gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen Žižeks prefer not to und meinem paulinischen als ob nicht. Das als ob nicht meint nicht (selbst)destruktive revolutionäre Verweigerung. Es meint vielmehr ein nicht-teilnehmendes Teilnehmen, ein nicht-mitmachendes Mitmachen, ein nicht-dabeiseiendes Dabeisein. Es meint Annahme und verungültigenden Gebrauch des hier und jetzt Vorfindlichen zugleich. Der Glaube, den diese Annahme und dieser Gebrauch voraussetzen, ist dem prefer not to fremd. Hinter dem Schein der revolutionären Theatralik des prefer not to verbergen sich Hoffnungs- und Hilflosigkeit.
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Durch die normativen Rationalitäten, denen wir uns im modernen Rechtsstaat unterwerfen, wollen wir nicht zuletzt der dezisionistischen Politik entkommen. Wir wollen, dass Politik rational beschränkt und berechenbar, dass sie nicht despotisch und willkürlich ist.
Nun wird das Netzwerk der zahlreichen normativen Rationalitäten unter den Bedingungen des modernen Rechtsstaates allerdings immer dichter. Alles läuft darauf hinaus, dass alles schon entschieden ist. Alles ist rational entschieden, allerdings nicht angemessen, sondern allgemein. Alles ist rational entschieden, allerdings nicht kongruent, sondern widersprüchlich. Der rechtsstaatliche Dezisionismus will mittlerweile despotischer und willkürlicher erscheinen als jener Dezisionismus, den der Rechtsstaat zu überwinden versucht. Es gibt eine Despotie, es gibt eine Willkür der modernen Rationalisierung von Politik.